Zuwachs in der Kissenfamilie

Kissen findet man auf den unterschiedlichsten Abbildung des Mittelalters. Da unser Schwerpunkt auf der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts liegt, möchte ich hier keine Theorie darüber aufstellen wie lange bereits Kissen dieser Art verwendet worden. Fest steht aber, dass sich – nennen wir sie Zierkissen – aus hübschem Stoff mit zum Beispiel Quasten oder türkischen Knoten an den Ecken im 15. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten. Wir sehen sie auf allen möglichen Abbildungen: als zum Beispiel Rückenpolster, auf Betten liegend, als Sitzkissen, als Fuß-Unterlage und bei vielen weiteren Verwendungsmöglichkeiten.


Für diese Kissen habe ich für die Vorderseite einen wunderschönen dunkelblauen Ausbrenner-Samt mit Granatapfel von Sartor verwendete. Dieser Stoff ist typisch für die Frührenaissance Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Unterfüttert ist dieser mit weißem feinen Leinen, um das durchscheinende Motiv deutlicher zur Geltung zu bringen. Die Rückseite besteht aus feinem dunkelblauem Wollstoff in Leinwandbindung.

Zugeschnitten ist der Stoff auf 43×33 cm (inkl. Nahtzugabe/ Fertigmaß 40 x 30 ), jedoch nicht nach Raport, da es sich hier um Stoffreste handelt. Um das Muster hübscher zur Geltung zu bringen, wäre ein Ausrichten des Zuschnitts zum Muster noch besser.

Die einzelnen Teile wurden zuerst aufeinandergelegt – Wolle, Leinen und Samt – wobei vor allem beim Samt drauf geachtet werden muss, dass dieser mit der hübschen Seite nach Innen liegt. Danach habe ich diese zusammengesteckt, genäht und einen 10 cm breiten Schlitz offen gelassen. Anschließend wurden die Kissenhüllen umgedreht. Dabei nimmt man zuerst eine Ecke und klappt die Nahtzugabe an beiden Seiten zur Naht hin übereinander und krempelt die Ecke durch den Schlitz. Danach folgen alle weiteren Ecken und der Rest des Stoffes. So werden die Ecken gleichmäßig mit herausgezogen, ohne das diese rund oder klobig werden.

Die Füllung besteht aus Woll-Resten (100% Schurwolle) in dünne Streifen geschnitten. Dies ergibt eine feste und sehr kuschelige Füllung. Sobald das jeweilige Kissen gut gefüllt war, wurde diese mit einem Blindstich zugenäht.

Anschließend habe ich die Kanten mit verschiedenen Zierstichen aus Pflanzen gefärbter Wolle verschönert, zum einen in Gelb ein Kettstich und in Rot und Grün ein Hexenstich. Für eine Verzierung von Kissen-Rändern mit solchen Stichen habe ich aktuell keinerlei Belege gefunden, sind jedoch Stich-Arten welche im Mittelalter Verwendung fanden. Abbildungen zeigen deutlich Nähte, jedoch könnte es sich hierbei um eine Funktions-Naht handeln welche das Kissen verschließt. Einige offene und locker vernähte Kannten könnten drauf hinweisen, das es sich hier um temporäre Nähte handelt, um einen Überzug auf einem gefüllten Kissen zu schließen. Darauf weisen auch andere Abbildung hin, bei wiederum anderen ist es nicht ganz klar. So ist eine Ziernaht nach meinem aktuellen Wissen nicht belegt, gefällt mir aber sehr und scheint mir nicht ganz abwegig.

Cod. Pal. germ. 142 Pontus und Sidonia, Werkstatt Ludwig Henfflin, um 1475
Cod. Pal. germ. 142 Pontus und Sidonia, Werkstatt Ludwig Henfflin, um 1475


Die Ecken wurden abschließend noch mit Quasten aus derselben Pflanzen gefärbten Wolle versehen und im Falle der grün/roten und der roten Quasten wurden die Quastenköpfchen noch vollständig mit einem Knopflochstich in mehreren Reihen umstickt.

Ich weiß nicht wie ihr das findet, aber mir gefallen die Kissen auserordentlich gut und auch meine Tochter ist ihnen nicht abgeneigt und nimmt sie gern auch mal zum Kuscheln.