Es ist anzunehmen, dass Paternoster oder auch Rosenkränze im späten Mittelalter zunehmend an Popularität gewannen. Ob dies auf den Abbildungen nur so scheint oder ob diese bis dahin eher weniger sichtbar getragen wurden, kann ich so nicht sagen. Fest steht aber, dass sie nun zu einem sichtbaren Accessoire avancieren. Um das Handgelenk gewunden, am Gürtel, um den Hals, gar an Schwertknäufen sind sie plötzlich viel öfter auf Gemälden zu entdecken – sowohl in klerikalen Darstellungen, wie auch auf Portraits oder einfach in zeitgenössischen Darstellung von Alltagssituationen und gesellschaftlichen Ereignissen.
Eigentlich, so schneit mir, ist der Paternoster oder auch Rosenkranz ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis in die Renaissance hinein beinahe allgegenwärtig und wird erst durch die teilweise einsetzenden Reformation regional verdrängt. Zum Beispiel durch die Gründung der Anglikanischen Kirche durch Heinrich VIII. in Engalnd und dessen Verordnung nicht mechanisch mit einem Rosenkranz zu beten (1538) und später sogar die komplette Verwendung (1547).
Das Tragen von Paternostern war teilweise regional per Verordnung geregelt. In Hamburg zum Beispiel war es unehrbaren Frauen (mit unehelichen Kindern, Prostituierten) nicht gestattet Rosenkränze aus Koralle zu tragen (Hamburger Kleiderordnung von 1429/1430). Diese konnten ihnen einfach abgenommen werden. Weiterhin gibt es vereinzelt Quellen, welche davon berichten, dass in einigen Regionen in den Deutschen Landen wie auch Flandern Paternoster von Schmuck-Steuern befreit gewesen sein sollen. Dafür liegen mir für Norddeutschland und auch anderenorts allerdings keine Belege vor.
Beobachtungen zu Material und Aufbau
Paternoster bestanden in großen Teilen aus Glas, Holz und Knochen, jedoch waren auch kostspieligere Materialien beliebt. Diese – zum Beispiel aus Bernstein, Gagat (Jet) und Koralle – sahen nicht nur hübsch und kostbar aus, sondern es wurde ihnen auch heilende oder schützende Kräfte nachgesagt. Auch war damals schon das Nachahmen von Materialien gebräuchlich. So werden diverse Perlen, welche anhand des Fund-Komplexes Paternostern zugeschrieben werden können, aus Holz und Glas gefunden, welche in ihrer Farbgebung Koralle oder andere Schmucksteine imitieren.
Im Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit ist anhand von Abbildungen die offene Form mit Quasten an den Enden verstärkt bei Männern zu beobachten, wogegen die geschlossene und auch längere Form mit einer höheren Anzahl an Perlen beim weiblichen Geschlecht beliebter scheint. Auf vielen Abbildungen lässt sich erkennen, dass mit der Zeit die geschlossenere Form zunehmend öfter auftritt und auch zusätzlicher Schmuck oder Verzierungen an den Gebetsketten üblicher werden. So war im ausgehenden Mittelalter und Beginn der Renaissance das Anfügen von Pomandern, Amuletten, Kreuzen, Zweige von Korallen und Gefäße mit heiligen Reliquien als schmückendes oder schützendes Element weit verbreitet.
Abschließend seid noch angemerkt, dass auf vielen zeitgenössischen Gemälden und Stichen Perlen zu sehen sind, jedoch ist in manchen Situationen nicht schlussendlich zu klären ob es sich um Paternoster oder einfach Perlenketten handelt. Vor allem in der beginnenden frühen Neuzeit scheinen Perlenketten ohne sakralen Hintergrund zunehmend modern zu werden, jedoch lässt die dargestellte Szene häufig eine Vermutung über den Verwendungszweck zu.
Quellen & Links
http://paternoster-row.medievalscotland.org/
http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/spaetmittelalter/Lehre/Ergebnisse/Hamburg/themen/SozialeUndRechtlicheStellungDerFrau.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Bisamapfel
http://www.bbc.co.uk/ahistoryoftheworld/objects/24z-QVr6QPeTUugJaQCbMg
Schriftliche Quellen
Spätmittelalterliche und Frühneuzeitliche Perlen aus einer Kloake der Frohnerei auf dem Schragen zu Lübeck (Wolfgang Erdmann und Horst Nitsch)